Gänsehaut

415

Textur

In einer maximal entfalteten genussvollen Kulinarik spielt das physikalische Essen selbst eine immer wichtigere Rolle. Eine perfekt geröstete knusprige Gänsehaut kann beim ersten Biss Gänsehaut hervorrufen. Das ist so gewollt, denn für viele Köche ist die Geschmacksexplosion – eine Art unausgesprochener Orgasmus – ein Höhepunkt ihres professionellen Wirkens. Das ist nicht zu provokant beschrieben, denn das taktile Mundgefühl ist ein wesentlicher Initiator des Genuss-Moments. In der jüngeren kulinarischen Wissenschaft findet diese textürliche Kultivierung eines solchen, mit bestimmten Aromen kombinierten Geschmackstheaters, das sich direkt im Mund abspielt, eine fundamentale Aufwertung. Zum Fressen gern. Die Erkenntnisse der modernen Küche der letzten Dekaden hinsichtlich physikalischer Zubereitungsmethoden sind hier in Fülle und all ihren Möglichkeiten eingeflossen. Am Ende aller Bemühungen steht das Geniessen. Der wirklich Geniessende gibt sich dabei dem Essen voll und konzentriert hin – so soll auch Brillat-Savarin beim Essen kein Wort geredet haben.

Genuss ist eine Frage der Phantasie.

Markus M. Ronner (*1938)